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Hygienemanagement im nicht-produzierenden Lebensmittelumfeld

vom 5. Juli 2025

Pflichten, Prinzipien und Praxis für Einrichtungen mit hauswirtschaftlichen Versorgungsbereichen

Im nicht-produzierenden Lebensmittelumfeld – etwa in Kitas, Pflegeheimen oder Bildungseinrichtungen – ist Hygiene kein Nebenschauplatz, sondern elementare Voraussetzung für den Gesundheitsschutz. Dennoch werden die Anforderungen häufig unterschätzt oder unzureichend umgesetzt. Dieser Artikel richtet sich an Betreiberinnen und Betreiber kleiner Einrichtungen, Mitarbeitende im hauswirtschaftlichen Bereich sowie Fachberaterinnen und Fachberater in der Lebensmittelhygiene. Ziel ist es, ein praxisnahes Verständnis für die gesetzlichen Anforderungen, normativen Grundlagen und Umsetzungsmöglichkeiten eines funktionierenden Hygienemanagements zu vermitteln.

Rechtlicher Rahmen: Wer trägt welche Verantwortung?

Lebensmittelhygieneverordnung (LMHV)

Die zentrale gesetzliche Grundlage für den Umgang mit Lebensmitteln ist die Lebensmittelhygieneverordnung (LMHV). Sie gilt für alle Betriebe, die Lebensmittel behandeln, zubereiten oder ausgeben – unabhängig von Größe oder Art der Einrichtung.

Besonders relevant:

  • Verpflichtung zur Einhaltung der allgemeinen Hygieneregeln nach Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 852/2004.

  • Auch Einrichtungen mit geringem Risikoprofil – etwa bei reiner Speisenausgabe oder Erwärmung – sind in vollem Umfang betroffen.

Infektionsschutzgesetz (IfSG)

Das Infektionsschutzgesetz verpflichtet Einrichtungen dazu, Personal vom Umgang mit Lebensmitteln auszuschließen, wenn bestimmte Krankheiten oder Symptome vorliegen. § 43 IfSG schreibt zudem eine Erstbelehrung durch das Gesundheitsamt sowie regelmäßige innerbetriebliche Folgebelehrungen vor.

Hygieneverordnungen der Bundesländer

Die Hygieneverordnungen der Länder ergänzen die LMHV und betreffen u. a. Gemeinschaftseinrichtungen wie Kitas oder Pflegeheime. Sie regeln Anforderungen an Desinfektionsmaßnahmen, den Umgang mit infektiösen Personen sowie an bauliche Voraussetzungen in Küchen und Sanitäreinrichtungen. Auch wenn Unterschiede zwischen den Ländern bestehen, sind die Grundanforderungen bundesweit vergleichbar.

HACCP: Ein Grundprinzip auch für kleine Einrichtungen

Das HACCP-Konzept (Hazard Analysis and Critical Control Points) ist ein vorbeugendes System zur Kontrolle von Gesundheitsgefahren beim Umgang mit Lebensmitteln. Auch kleine Einrichtungen müssen ein auf ihre Tätigkeiten angepasstes HACCP-System einführen.

In der Praxis bedeutet das:

  • Analyse möglicher Gefahren (z. B. mikrobiologische Risiken bei der Speisenzubereitung)

  • Festlegung von Kontrollpunkten (z. B. Temperaturprüfung bei Anlieferung oder Kühlung)

  • Dokumentation der Kontrollen und Maßnahmen

Beispiel: Wird Mittagessen über externe Anbieter bezogen, muss die Anlieferungstemperatur dokumentiert und auf Einhaltung der Kühlkette geprüft werden. Dieser Schritt kann in einem einfachen Kontrollblatt erfasst werden.

Hygienestandards im Überblick

Küche und Lebensmittelbereich

  • Trennung von rohen und gegarten Lebensmitteln

  • Reinigung und Desinfektion von Arbeitsflächen und Geräten nach jeder Nutzung

  • Einhaltung der Kühl- und Warmhaltebereiche (unter 7 °C bzw. über 65 °C)

  • Verwendung farbcodierter Utensilien zur Vermeidung von Kreuzkontamination

Reinigung allgemein

  • Erstellung und Umsetzung von Reinigungsplänen

  • Differenzierte Reinigungsverfahren für Küche, Sanitärbereiche und Aufenthaltsräume

  • Regelmäßige Schulung des Reinigungspersonals zu hygienerelevanten Verfahren

  • Verwendung von Produkten mit nachgewiesener Wirksamkeit gegen relevante Keime

Wäschehygiene

  • Trennung von schmutziger und sauberer Wäsche

  • Wäsche von Handtüchern und Textilien bei mindestens 60 °C mit Desinfektionswaschmitteln

  • Organisation der Wäschelagerung und des Transports gemäß hygienischer Standards

  • Einsatz geeigneter Behältnisse, um eine Rekontamination zu vermeiden

Normative Grundlage:
Für die hygienische Aufbereitung von Textilien ist die DIN EN 14065 relevant. Sie beschreibt das sogenannte RABC-System (Risk Analysis and Biocontamination Control), das ursprünglich für Wäschereien im Gesundheitswesen entwickelt wurde, jedoch auch auf Pflegeeinrichtungen, Kitas oder andere sensible Bereiche übertragbar ist. Die Norm legt Wert auf:

  • Hygienische Trennung von Schmutz- und Reinbereich

  • Risikobewertung mikrobieller Kontaminationen

  • Überwachung von Waschverfahren, Raumhygiene und Transportwegen

  • Schulung des zuständigen Personals

Auch kleine Einrichtungen können sich an diesen Anforderungen orientieren, um das Risiko durch verkeimte Textilien zu minimieren.

Personalhygiene

  • Tragen sauberer und geeigneter Kleidung während der Arbeit

  • Konsequente Händehygiene mit Seife, Einmalhandtüchern und ggf. Desinfektionsmittel

  • Keine Tätigkeit bei Symptomen wie Durchfall, Erbrechen oder offenen Wunden

  • Sensibilisierung für persönliche Hygiene, insbesondere bei Umgang mit Lebensmitteln

Schulungs- und Dokumentationspflichten

Schulungen

Die LMHV und das IfSG verpflichten Betreiberinnen und Betreiber dazu, Mitarbeitende regelmäßig in Hygienevorgaben zu unterweisen. Die Inhalte richten sich nach den jeweiligen Aufgabenbereichen und müssen nachvollziehbar dokumentiert sein.

Empfohlene Schulungsinhalte:

  • Grundlagen der Lebensmittelhygiene

  • Personal- und Händehygiene

  • Reinigung und Desinfektion

  • Verhalten im Krankheitsfall

Die Schulung sollte mindestens einmal jährlich sowie bei Neueinstellungen oder veränderten Aufgaben erfolgen.

Dokumentation

Die Hygiene-Dokumentation ist Pflichtnachweis für Kontrollbehörden. Sie dient der Rückverfolgbarkeit und Selbstkontrolle im Alltag. Die Dokumentation kann analog oder digital erfolgen, muss aber jederzeit vollständig einsehbar sein.

Typische Dokumentationen:

  • Temperaturkontrollen von Speisen und Kühlgeräten

  • Reinigungs- und Desinfektionsnachweise

  • Schulungsnachweise

  • HACCP-relevante Aufzeichnungen

Wichtig: Die Dokumentation sollte einfach, verständlich und praktikabel gestaltet sein – ohne übermäßige Komplexität.

DIN-Normen im Hygienekontext

Neben den gesetzlichen Grundlagen helfen DIN-Normen, Hygienestandards systematisch und nachvollziehbar umzusetzen:

  • DIN 10514 – Lebensmittelhygiene – Hygienemanagementsysteme – Anforderungen an HACCP-Systeme
    Beschreibt Anforderungen an den Aufbau, die Umsetzung und Pflege eines HACCP-Systems – besonders relevant für kleine und mittlere Einrichtungen.

  • DIN 10516 – Lebensmittelhygiene – Schulung von Personal in Lebensmittelbetrieben
    Diese Norm konkretisiert Inhalte und Nachweise für Hygieneschulungen, inklusive Wiederholung und Dokumentation.

  • DIN 10510 – Lebensmittelhygiene – Gemeinschaftsverpflegung
    Bietet praxisnahe Vorgaben für die Umsetzung von Hygienestandards in der Gemeinschaftsverpflegung – ideal für Heime, Schulen, Kitas.

  • DIN EN 13697 – Chemische Desinfektionsmittel – Prüfung der Wirksamkeit
    Wichtig bei der Auswahl geprüfter Flächendesinfektionsmittel für Küche und Sanitärbereiche.

  • DIN 13063 – Krankenhausreinigung – Anforderungen an Reinigung und Desinfektion in medizinischen Einrichtungen
    Zwar auf das Gesundheitswesen ausgerichtet, aber übertragbar auf Pflegeeinrichtungen mit erhöhtem Hygienebedarf.

  • DIN EN 14065 – Textilien – In Wäschereien aufbereitete Textilien – Kontrollsystem zur mikrobiologischen Qualität
    Relevanz für die hygienische Wäscheaufbereitung. Die Norm empfiehlt strukturierte Prozesse, Risikobewertungen und wirksame Hygienekontrollen – auch in hauswirtschaftlich organisierten Einrichtungen mit eigenem Wäschekreislauf.

Rolle der Beratung: Unterstützung mit Augenmaß

Die externe Beratung kann kleinen Einrichtungen helfen, gesetzliche Anforderungen richtig zu deuten und praxistauglich umzusetzen. Entscheidend ist dabei nicht die Menge an Dokumenten, sondern die Passung zur Betriebspraxis.

Worauf sollten Betreiberinnen und Betreiber achten:

  • Die Beratung sollte normativ und rechtlich auf dem aktuellen Stand sein

  • Konzepte müssen verständlich, umsetzbar und rechtssicher sein

  • Vorlagen sollten auf die spezifischen Gegebenheiten der Einrichtung angepasst werden

Fachberaterinnen und Fachberater wiederum sollten Empfehlungen nicht allein an theoretischen Anforderungen, sondern an praktischer Realisierbarkeit messen. Schulungen, Unterlagen und Kontrollsysteme müssen für kleine Teams mit begrenzten Ressourcen handhabbar sein.

Hygiene mit Struktur, Maß und Verantwortung

Ein funktionierendes Hygienemanagement im nicht-produzierenden Umfeld ist keine Frage der Betriebsgröße. Es ist Ausdruck professioneller Verantwortung für die Gesundheit von Kindern, älteren Menschen, Lernenden und Beschäftigten. Die gesetzlichen Grundlagen sind klar – und durch angepasste Systeme, Schulungen und Dokumentationen gut umsetzbar. Entscheidend ist, dass Hygiene im Alltag verstanden, gelebt und konsequent angewendet wird. So wird aus Pflicht ein wirksames Schutzsystem – für alle Beteiligten.