BRCGS, IFS Food, IFS Progress oder ISO/FSSC 22000 – welcher Standard passt zu welchem Lebensmittelbetrieb?
Lebensmittelsicherheit ist längst kein optionales Qualitätsmerkmal mehr – sie ist das Fundament jedes erfolgreichen Lebensmittelbetriebs. Ob handwerkliche Manufaktur, industrieller Hersteller oder international agierender Konzern: Ohne ein anerkanntes Zertifikat ist heute kaum noch eine nachhaltige Marktpräsenz möglich.
Doch welcher Standard passt wirklich? Zwischen BRCGS, IFS Food, IFS Progress und ISO/FSSC 22000 gibt es deutliche Unterschiede – in Anspruch, Aufwand, Kosten und Zielrichtung. Dieser Beitrag zeigt praxisnah, wie Betriebe den passenden Weg finden und was hinter den einzelnen Systemen steckt.
Warum Standards heute unverzichtbar sind
Die Anforderungen an Lebensmittelsicherheit, Transparenz und Nachvollziehbarkeit steigen stetig. Einzelhändler, Gastronomieketten und Verbraucher erwarten, dass Produkte nicht nur sicher, sondern auch rechtssicher hergestellt werden.
Ein zertifiziertes Managementsystem nach einem anerkannten Standard bietet hier den entscheidenden Vorteil: Es schafft Vertrauen, strukturiert Prozesse und reduziert Haftungsrisiken. Gleichzeitig öffnet es Türen – viele Handelsketten und Großabnehmer akzeptieren Lieferanten nur noch mit gültiger Zertifizierung nach einem GFSI-anerkannten Standard.
BRCGS Food Safety – stark im internationalen Handel
Der BRCGS Food Safety Standard (ehemals „British Retail Consortium“) wurde ursprünglich für Lieferanten des britischen Handels entwickelt. Heute ist er einer der am strengsten auditierten Standards weltweit – und besonders im Exportgeschäft ein Muss.
Charakteristisch für BRCGS sind:
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detaillierte Anforderungen an Produktschutz (Food Defense) und Produktauthentizität,
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ausgeprägte Ursachenanalyse („Root Cause Analysis“),
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Validierung von Reinigungs-, Prozess- und Hygieneschritten,
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gelebte Hygienekultur und Managementverantwortung.
Gültigkeit:
Ein BRCGS-Zertifikat ist ein Jahr gültig. Der Betrieb wird jährlich unangekündigt oder angekündigt neu auditiert.
Kostenrahmen:
Je nach Betriebsgröße liegen die Gesamtkosten (Audit, Zertifizierung, interne Vorbereitung, Schulung) bei 5.000 bis 25.000 € jährlich.
Für wen geeignet:
Ideal für exportorientierte Betriebe und Private-Label-Produzenten, die internationale Handelsketten beliefern.
Praxisbeispiel:
Ein Snack-Hersteller, der Riegel für britische Handelsmarken produziert, muss zwingend BRCGS-zertifiziert sein. Ohne dieses Zertifikat ist ein Marktzugang kaum möglich – die Anforderungen an Produktschutz und Authentizität sind hier besonders hoch.
IFS Food – der europäische Branchenstandard
Der IFS Food Standard (International Featured Standards) ist im europäischen Lebensmittelhandel der Platzhirsch. Er wurde von deutschen, französischen und italienischen Handelsketten entwickelt und ist mittlerweile europaweit anerkannt.
Mit der IFS Food Version 8 (gültig seit 2024) stehen folgende Schwerpunkte im Vordergrund:
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Fokus auf Prozessverständnis und Auditgespräche,
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KO-Kriterien mit klarer Bewertungssystematik,
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Stärkung der Hygienekultur und Führungspflichten,
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Digitalisierung der Dokumentation und Rückverfolgbarkeit.
Gültigkeit:
Ein IFS Food-Zertifikat ist ein Jahr gültig. Nach Ablauf erfolgt eine vollständige Re-Zertifizierung, häufig im Rahmen eines unangekündigten Audits.
Kostenrahmen:
Kleinere Betriebe müssen mit 4.000–10.000 € jährlich rechnen, größere Werke mit bis zu 20.000 €, abhängig von Auditzeit, Auditorenreise, Zertifizierungsstelle und interner Vorbereitung.
Für wen geeignet:
Der IFS Food Standard ist optimal für mittelständische Produzenten und Lieferanten des europäischen Handels. Wer Handelsmarkenprodukte für Supermärkte produziert, kommt an IFS Food praktisch nicht vorbei.
Praxisbeispiel:
Ein Feinkostbetrieb, der Aufstriche und Dips für Rewe oder Edeka produziert, benötigt ein IFS Food-Zertifikat, um gelistet zu bleiben. Besonders die neuen Anforderungen an Hygienekultur und kontinuierliche Verbesserung fördern dabei die Prozessreife im Betrieb.
IFS Progress – der praxisnahe Einstieg
Mit IFS Progress bietet der IFS einen Standard, der sich an kleine und mittlere Betriebe richtet – also an Unternehmen, die noch nicht alle Anforderungen des IFS Food erfüllen, aber ein strukturiertes Hygienemanagement etablieren möchten.
Konzept:
IFS Progress ist ein zweistufiges Entwicklungsmodell:
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Level 1: Basisanforderungen zu Hygiene, Rückverfolgbarkeit, HACCP-Grundstruktur.
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Level 2: Erweiterte Anforderungen zu Managementsystem, Schulungen und interner Kontrolle.
So können Betriebe schrittweise wachsen – vom Einstiegssystem bis zur vollen IFS Food-Zertifizierung.
Gültigkeit:
IFS Progress ist ein Jahr gültig und muss regelmäßig erneuert werden.
Kostenrahmen:
Deutlich günstiger als IFS Food – in der Regel 2.000–5.000 € jährlich, abhängig von Betriebsgröße und Zertifizierungsstelle.
Für wen geeignet:
Ideal für regionale Produzenten, Start-ups und Direktvermarkter, die Lebensmittelsicherheit professionalisieren, aber noch keine Handelslisten anstreben.
Praxisbeispiel:
Ein handwerklicher Käsereibetrieb nutzt IFS Progress, um die Basis für künftige Handelskooperationen zu schaffen. So kann er Schritt für Schritt Prozesse professionalisieren und das Vertrauen regionaler Abnehmer stärken.
ISO 22000 / FSSC 22000 – das integrierte Managementsystem
Die ISO 22000 ist ein international anerkannter Managementstandard, der alle Glieder der Lebensmittelkette umfasst – vom Landwirt über Verarbeiter bis zum Logistiker.
Die FSSC 22000 ergänzt die ISO um technische Spezifikationen (z. B. ISO/TS 22002-1) und ist GFSI-anerkannt. Damit ist sie gleichwertig zu IFS Food oder BRCGS – mit stärkerem Fokus auf Systematik, Risikoanalyse und Integration in andere ISO-Managementsysteme.
Kernmerkmale:
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Prozessorientierter Ansatz nach dem Plan-Do-Check-Act-Zyklus,
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Starke Integration in bestehende ISO-Strukturen (z. B. Qualität, Umwelt, Arbeitssicherheit),
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Hoher Fokus auf Kommunikation und kontinuierliche Verbesserung.
Gültigkeit:
ISO- und FSSC-Zertifikate gelten drei Jahre, müssen aber durch jährliche Überwachungsaudits bestätigt werden.
Kostenrahmen:
Je nach Komplexität 8.000–20.000 € im ersten Jahr, anschließend geringere Kosten für die jährlichen Überwachungsaudits.
Für wen geeignet:
Perfekt für größere, international tätige Unternehmen oder Betriebe mit bestehendem ISO-System. Besonders dann, wenn Qualitäts-, Umwelt- und Lebensmittelsicherheitssysteme unter einem Dach geführt werden sollen.
Praxisbeispiel:
Ein multinationaler Getränkehersteller nutzt FSSC 22000, um seine globalen Produktionsstätten nach einheitlichen Standards zu führen. Das reduziert Schnittstellen, schafft Vergleichbarkeit und erleichtert die Anerkennung durch internationale Kunden.
Vergleich der Systeme – was unterscheidet sie wirklich?
| Merkmal | IFS Food | BRCGS | IFS Progress | ISO/FSSC 22000 |
|---|---|---|---|---|
| GFSI-Anerkennung | ✔️ | ✔️ | ❌ | ✔️ (nur FSSC) |
| Zielgruppe | Mittelstand, Handelslieferanten | Export, internationale Marken | Kleine Betriebe, Einstieg | Großbetriebe, ISO-orientierte Organisationen |
| Schwerpunkt | Prozessverständnis, Auditbewertung | Produktschutz, Ursachenanalyse | Entwicklungssystem, Schulung | Managementsystem, Integration |
| Auditfrequenz | jährlich | jährlich | jährlich | alle 3 Jahre (mit jährlichen Audits) |
| Gültigkeit Zertifikat | 1 Jahr | 1 Jahr | 1 Jahr | 3 Jahre |
| Kostenrahmen (ca.) | 4.000–20.000 € | 5.000–15.000 € | 2.000–5.000 € | 8.000–20.000 € |
| Besonderheit | KO-Kriterien, Scoring-System | Kultur- & Ursachenanalyse | Stufenmodell, Einstieg | Kombinierbar mit ISO 9001/14001 |
Wie Betriebe den passenden Standard finden
Die Entscheidung hängt weniger von der Beliebtheit eines Systems ab, sondern von strategischen und wirtschaftlichen Faktoren:
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Kundenanforderungen: Der Handel oder ein Großkunde gibt häufig den Standard vor.
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Betriebsgröße: Kleine Betriebe profitieren vom Einstieg über IFS Progress, große Unternehmen von der Systemtiefe der FSSC 22000.
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Marktausrichtung: Für den Export BRCGS, für den europäischen Handel IFS Food.
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Synergien: Wer bereits ISO 9001 oder ISO 14001 nutzt, kann mit FSSC 22000 effizient integrieren.
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Kosten & Ressourcen: Ein Standard ist nur sinnvoll, wenn er realistisch gepflegt werden kann – auch personell.
Der Standard muss zum Betrieb passen – nicht umgekehrt
Ob BRCGS, IFS Food, IFS Progress oder FSSC 22000 – alle Standards verfolgen das gleiche Ziel: sichere Lebensmittel, transparente Prozesse und Vertrauen entlang der Lieferkette.
Doch entscheidend ist nicht das Zertifikat an der Wand, sondern das, was im Alltag passiert. Ein Standard ist nur dann wirksam, wenn er gelebt, verstanden und von der Belegschaft mitgetragen wird.
Wer den passenden Standard wählt, schafft nicht nur Rechtssicherheit und Marktzugang, sondern stärkt die interne Organisation, verbessert Abläufe und reduziert langfristig Kosten durch weniger Fehler, weniger Reklamationen und mehr Effizienz.
Denn eines ist sicher: Lebensmittelsicherheit ist kein Projekt, sondern ein kontinuierlicher Prozess – unabhängig davon, ob auf dem Zertifikat IFS, BRCGS oder FSSC steht.
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