BRCGS Packaging Materials Issue 7 – Neue Maßstäbe für Folien, Wellpappe und Etiketten

Seit April 2025 gilt die neue 7. Ausgabe des BRCGS Global Standard for Packaging Materials. Für Hersteller von Verpackungsfolien, Wellpappe und Etiketten bringt sie verschärfte Anforderungen und neue Chancen. Der Fokus liegt auf Produktsicherheits- und Qualitätskultur, einem konsequent risikobasierten Ansatz und der Einbindung innovativer Materialien und Technologien.
Kultur sichtbar machen
Was früher als freiwillige Ergänzung galt, ist heute Pflicht: eine Produktsicherheits- und Qualitätskultur (PSQC), die dokumentiert, messbar und wirksam ist. Unternehmen müssen zeigen, dass Sicherheit und Qualität nicht nur im Handbuch stehen, sondern täglich gelebt werden.
In einem Wellpappewerk können das regelmäßige Shopfloor-Meetings mit Mitarbeitenden an allen Linien sein, ergänzt durch ein Meldeportal für Beinahe-Ereignisse. In einem Folienbetrieb wiederum dienen monatliche „Safety Moments“ dazu, aktuelle Risiken zu thematisieren. Entscheidend ist, dass Ergebnisse messbar sind etwa sinkende Reklamationsquoten oder eine nachweisbare Zunahme gemeldeter Verbesserungen.
Risikoorientierung im Alltag
Issue 7 fordert, Risiken entlang der gesamten Kette zu bewerten von Rohstoffen bis zur Auslieferung. Besonders kritisch: neue Materialien und Verfahren.
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Folienextrusion: Risiken bestehen durch Migration von Additiven oder Rückständen aus Rezyklaten, aber auch durch Partikel aus verschlissenen Schnecken.
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Wellpappe: Neben bekannten Herausforderungen wie Feuchtigkeit sind es vor allem NIAS (Nicht absichtlich zugeführte Stoffe) aus Recyclingfasern, die genau bewertet werden müssen.
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Etiketten: Der Klassiker ist unzureichend ausgehärtete UV-Farbe. Neu ist, dass Auditoren verstärkt auf Rückverfolgbarkeit der Farben und Lacke achten: Welche Charge wurde auf welcher Etikettenrolle eingesetzt, und wie lässt sich das nachweisen?
Diese Fragen verlangen ein strukturiertes Change-Control-Verfahren: Jede Umstellung von Klebstoffen, Farben oder Substraten muss dokumentiert und risikoorientiert bewertet sein.
Infrastruktur und Hygiene – klare Zonen, saubere Prozesse
Die Anforderungen an die bauliche Umgebung steigen. Der Standard verlangt definierte Hygienezonen und funktionierende Material- und Personalflüsse.
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Folienwerke müssen Lager, Extrusion und Konfektion klar trennen, Luftströme kontrollieren und Reinigungsroutinen dokumentieren.
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Wellpappehersteller sichern große Papierlager gegen Schädlinge, Staub und Feuchtigkeit.
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Etikettendruckereien achten besonders auf staubfreie Produktionszonen und dokumentierte Maschinenreinigungen, da kleinste Partikel bereits zu Reklamationen führen können.
Auch Maschinen mit schwer zugänglichen Bereichen gelten zunehmend als Risiko, hier fordern Auditoren sichtbare Lösungen.
Kontrollen im Prozess
BRCGS macht deutlich: Qualität kann nicht am Ende „hineingeprüft“ werden, sie muss im Prozess entstehen.
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Folien: Migrationstests, Dichtheitsprüfungen und Siegelnahtkontrollen sind Pflicht.
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Wellpappe: Box Compression Tests, Klebefestigkeitsprüfungen und Migrationstests auf Lebensmittelkonformität werden erwartet.
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Etiketten: UV-Aushärtung wird mit Messgeräten überprüft, Abriebtests sichern die Beständigkeit.
Die Rückverfolgbarkeit von Druckfarben gewinnt besondere Bedeutung: Jede eingesetzte Farbcharge muss lückenlos bis zur Druckmaschine nachweisbar sein. Ein Auditor könnte jederzeit fragen: „Welche Farbcharge wurde am 12. Juni für Kunde X eingesetzt?“ ohne digitale Systeme ist das kaum sicher darstellbar.
Auditfragen, die jetzt Standard sind
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„Wie messen Sie die Wirksamkeit Ihres Kulturprogramms – welche Kennzahlen liegen vor?“
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„Können Sie die Rückverfolgbarkeit einer Foliencharge inklusive Rezyklat-Anteil darstellen?“
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„Welche Maßnahmen treffen Sie, um Set-off-Effekte im Etikettendruck zu verhindern?“
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„Wie dokumentieren Sie die Chargenrückverfolgbarkeit der eingesetzten Druckfarben?“
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„Sind Ihre internen Audits gleichmäßig über das Jahr verteilt?“
Praxisbeispiele aus der Branche
Etiketten – UV-Set-off:
Ein Etikettenhersteller bekam Beschwerden über unangenehme Gerüche. Ursache: unzureichend ausgehärtete UV-Farben bei hohen Druckgeschwindigkeiten. Abhilfe brachte die Installation von UV-Messsystemen, die definierte Mindestdosen dokumentieren.
Wellpappe – NIAS aus Recycling:
Ein Kartonhersteller fand in Migrationstests unerwartete NIAS-Werte. Konsequenz: Lieferant neu klassifiziert, Eingangskontrollen verschärft, interne Grenzwerte angepasst.
Folien – Rezyklat ohne Analyse:
Ein Folienwerk führte Rezyklatmaterial ein, ohne die Gefahrenanalyse zu aktualisieren. Folge: Major Non-Conformity im Audit. Heute gilt: kein neuer Rohstoff ohne vollständiges Change-Control.
Stolpersteine, die Auditoren regelmäßig finden
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Kultur bleibt Theorie: Ziele und Maßnahmen ohne Kennzahlen überzeugen nicht.
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Change-Control vergessen: Material- oder Farbwechsel ohne Risikobewertung führt fast immer zu Findings.
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Allergenrisiken übersehen: Bio-basierte Materialien oder Hilfsstoffe können Allergene enthalten.
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Interne Audits komprimiert: Alle Audits im Dezember durchzuführen, widerspricht den Anforderungen.
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Traceability unvollständig: Besonders Farben im Etikettendruck oder Rework in Folienwerken werden oft nicht sauber dokumentiert.
Ressourcen, die jetzt notwendig sind
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Personal: Benannte Verantwortliche für Produktsicherheits- und Qualitätskultur, geschulte interne Auditoren, Spezialisten für Migrationstests und Druckfarbenmanagement.
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Technik: UV-Intensitätsmessgeräte, Siegelnahtprüfer, Prüfsysteme für BCT und Abrieb. Klimatisierte Lager für Klebstoffe und Farben.
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Systeme: Digitale Rückverfolgbarkeit für Rohstoffe, Farben und Lacke. Audit- und CAPA-Tools. Gesteuerte Dokumentation der BRCGS-Ausgabe 7.
Wer vorbereitet ist, hat die Nase vorn
Issue 7 des BRCGS Packaging Standards ist mehr als eine Formalie. Für Hersteller von Folien, Wellpappe und Etiketten bedeutet er:
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Kultur messbar leben statt nur dokumentieren,
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Risiken konsequent bewerten, besonders bei neuen Materialien, Farben und Rezyklaten,
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Rückverfolgbarkeit lückenlos sichern, auch für Druckfarben,
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Prozesse überwachen statt nur Endprodukte prüfen,
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Interne Audits gleichmäßig übers Jahr verteilen.
Wer diese Punkte beherzigt, besteht nicht nur das Audit, sondern stärkt Vertrauen, Wettbewerbsfähigkeit und Markenimage.
Weiterführende Qualifizierung
Wer sich noch tiefer in die Anforderungen und Neuerungen von Issue 7 einarbeiten möchte, findet praxisnahe Unterstützung in spezialisierten Schulungen. Ein Beispiel ist das Seminar „Grundlagen BRCGS Global Standard Packaging Materials“ des FoodQuality-Campus. Es vermittelt kompakt die Kernforderungen des Standards, geht auf typische Auditfragen ein und bietet Gelegenheit, Erfahrungen aus der eigenen Praxis einzubringen.
Weitere Informationen: Grundlagen BRCGS Global Standard Packaging Materials (FoodQuality-Campus)
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