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CCP, oPRP, PRP & CP in der Lebensmittelindustrie: Praxis, Bewertung und Anforderungen nach ISO 22000, IFS & Gesetz

vom 11. Juli 2025

Sichere Lebensmittel sind das Fundament jeder erfolgreichen Produktion und Gemeinschaftsverpflegung. Doch wie werden Risiken wirksam gesteuert? Begriffe wie CCP (Critical Control Point), oPRP (operational Prerequisite Program), PRP (Prerequisite Program) und CP (Control Point) sind für Fach- und Führungskräfte sowie QM/QS-Mitarbeitende unverzichtbar. Dieser Fachartikel erklärt praxisnah, was sich dahinter verbirgt, welche gesetzlichen und normativen Anforderungen bestehen und warum die richtige Bewertung im Alltag oft eine Herausforderung darstellt.

1. Grundbegriffe und Abgrenzung

1.1 PRP (Prerequisite Program) – Basis für Lebensmittelsicherheit

PRPs sind Grundvoraussetzungen für sichere Produktionsbedingungen. Sie umfassen Maßnahmen wie Reinigung, Schädlingsbekämpfung, Instandhaltung, Personalhygiene und Schulungen. Ohne wirksame PRPs ist kein belastbares HACCP-System möglich. Sie betreffen die gesamte Betriebsumgebung und sind branchenweit Standard.

1.2 oPRP (operational Prerequisite Program) – Spezifische, operative Lenkungspunkte

oPRPs sind gezielte, prozess- oder produktbezogene Maßnahmen, die über die allgemeinen PRPs hinausgehen, aber keine klassischen CCPs sind. Sie steuern spezifische Gefahren, die durch PRPs allein nicht ausreichend beherrscht werden. Typische oPRPs sind Siebungen, Metalldetektoren bei geringem Risiko oder Temperaturkontrollen bei Wareneingang.

1.3 CP (Control Point) – Allgemeine Lenkungspunkte

Control Points (CPs) bezeichnen Überwachungsstellen im Prozess, die zur allgemeinen Steuerung oder Qualitätssicherung beitragen. Sie sind jedoch nicht sicherheitsrelevant wie CCPs. Die Abgrenzung zu oPRPs und CCPs sollte anhand einer nachvollziehbaren Risikoanalyse erfolgen.

1.4 CCP (Critical Control Point) – Kritischer Lenkungspunkt

CCPs sind die entscheidenden Punkte, an denen wesentliche Gefahren für die Lebensmittelsicherheit beherrscht, beseitigt oder auf ein sicheres Niveau reduziert werden können. CCPs verlangen eine permanente Überwachung und klar definierte Korrekturmaßnahmen, da sie für die Produktsicherheit entscheidend sind. Beispiele sind Erhitzungsschritte (z. B. Pasteurisation) oder Sterilisation.

2. Gesetzliche Vorgaben und Standards

2.1 EU-Verordnungen

  • VO (EG) Nr. 852/2004: Regelt allgemeine Hygienevorschriften, fordert die Einführung und Überwachung von PRPs sowie ein HACCP-Konzept.

  • VO (EG) Nr. 178/2002: Legt Grundsätze der Lebensmittelsicherheit und Rückverfolgbarkeit fest.

  • VO (EU) 2017/625: Bestimmt die Anforderungen an amtliche Kontrollen – insbesondere im Hinblick auf die Wirksamkeit von PRPs, CCPs und oPRPs.

2.2 Internationale Normen und Standards

  • Codex Alimentarius: Prägt weltweit die HACCP-Grundsätze und fordert eine klare Abgrenzung von CCPs und PRPs.

  • ISO 22000:2018: Verlangt eine strukturierte Unterscheidung und Bewertung von PRPs, oPRPs und CCPs. Diese Systematik geht über klassische HACCP-Anforderungen hinaus.

  • IFS Food & BRCGS Food Safety: Beide Standards fordern eine strukturierte Risikoanalyse, die Identifikation und Überwachung von CCPs und oPRPs sowie eine regelmäßige Überprüfung der Kontrollsysteme.

3. Herausforderungen in der Unternehmenspraxis

3.1 Unklare Abgrenzung und Bewertungsprobleme

Viele Unternehmen tun sich schwer, zwischen CCP, oPRP und PRP zu unterscheiden. Die Unsicherheit entsteht oft durch verschiedene Anforderungen aus Standards und Recht, die unterschiedliche Bewertungssysteme nutzen. Häufig werden zu viele CCPs festgelegt („Alles absichern“), was unnötigen Dokumentationsaufwand und Überwachungskosten verursacht. Gleichzeitig laufen Unternehmen Gefahr, kritische Gefahren zu unterschätzen, wenn oPRPs als ausreichend erachtet werden.

Beispiel:
In einer Bäckerei wird die Überwachung der Brottemperatur nach dem Backen als CCP geführt, obwohl die tatsächliche Gefahrenbeherrschung (Abtötung pathogener Keime) bereits durch den Backvorgang sichergestellt wurde. Hier wäre die Temperaturüberwachung als oPRP ausreichend.

3.2 Komplexe Prozesse und fehlende Ressourcen

Mit zunehmender Prozesskomplexität steigt auch der Aufwand für die korrekte Zuordnung und Überwachung der Maßnahmen. Besonders in Betrieben mit hoher Produktvielfalt oder häufigen Produktwechseln ist eine regelmäßige, kompetente Gefahrenanalyse unverzichtbar. Fehlen Wissen und Zeit, werden Fehler gemacht.

Beispiel:
In einer Molkerei wird das Grobsieb zur Fremdkörperentfernung als CCP geführt, obwohl der eigentliche CCP die Pasteurisation ist. Das Sieb wäre in diesem Fall als oPRP einzuordnen.

3.3 Auditdruck und Haftungsängste

Vorgaben aus Standards und Erwartungen von Auditoren sorgen dafür, dass Unternehmen „auf Nummer sicher gehen“ und eher zu viele als zu wenige CCPs ausweisen. Angst vor Beanstandungen oder Haftung im Krisenfall verleitet dazu, Kontrollpunkte falsch zu klassifizieren.

3.4 Mangel an Schulung und Awareness

Gerade in der Gemeinschaftsverpflegung und in kleinen Betrieben fehlt es oft an regelmäßig geschultem Personal, das oPRP und CCP sicher unterscheiden kann. Die Gefahr von Fehleinschätzungen steigt bei hoher Personalfluktuation.

4. Praxisbeispiele aus der Lebensmittelindustrie

Großküche: Temperaturmanagement

  • CCP: Enderhitzung des Produkts (z. B. mindestens 72 °C).

  • oPRP: Warmhalten der Speisen (Überwachung, aber keine kritische Stufe, solange das Endprodukt bereits sicher ist).

Getränkeindustrie: Fremdkörpermanagement

  • PRP: Hygienische Gestaltung der Abfüllhalle.

  • oPRP: Siebung und Magnetabscheider zur Entfernung grober Fremdkörper.

  • CCP: Röntgeninspektion vor der Verpackung, um sicherzustellen, dass keine Glas- oder Metallteile im Endprodukt verbleiben.

Fleischverarbeitung: Hygiene und Kontrolle

  • PRP: Sauberkeit und Personalhygiene, regelmäßige Reinigung der Maschinen.

  • oPRP: Funktionskontrolle des Metalldetektors zu Schichtbeginn.

  • CCP: Erhitzung von Fleischprodukten auf die vorgeschriebene Kerntemperatur.

Gemeinschaftsverpflegung: Allergenmanagement

  • PRP: Getrennte Lagerung von Allergenen.

  • oPRP: Kontrolle der Rezepturfreigabe.

  • CCP: Endkontrolle der Speisenausgabe an allergenempfindliche Gäste.

5. Empfehlungen für die Praxis

  1. Verlässliche Risikoanalyse: Nutzen Sie strukturierte Entscheidungsbäume und Risikobewertungssysteme (z. B. nach Codex, IFS oder ISO 22000), um CCP, oPRP und PRP korrekt zu identifizieren.

  2. Klare Dokumentation: Halten Sie die Einordnung und Überwachung jeder Maßnahme nachvollziehbar fest. Das erleichtert interne und externe Audits.

  3. Regelmäßige Schulungen: Sensibilisieren Sie Ihre Mitarbeitenden für die Unterschiede und Konsequenzen. Aktualisieren Sie Ihr Wissen laufend.

  4. Teamwork: Binden Sie QM, Produktion, Technik und Management gleichermaßen ein. Unterschiedliche Blickwinkel verhindern Fehleinschätzungen.

  5. Überprüfung und Anpassung: Bewerten Sie Ihre Maßnahmen regelmäßig und passen Sie sie bei Prozess- oder Produktänderungen an.

Die richtige Einordnung und Umsetzung von CCP, oPRP, PRP und CP ist das Rückgrat einer wirksamen Lebensmittelsicherheit. Nur mit einer nachvollziehbaren, risikobasierten Systematik, klarer Kommunikation und regelmäßigen Schulungen erfüllen Unternehmen die Anforderungen der Gesetzgebung und der internationalen Standards. So sichern Sie nicht nur die Produktqualität, sondern stärken auch das Vertrauen von Kunden, Behörden und Partnern.

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